Krieg und Frieden

WAS SAGT DER ISLAM ZU KRIEG UND FRIEDEN?

Diese Frage beschäftigt gerade heutzutage viele Menschen. Darauf eine zutreffende, sachliche Antwort zu erhalten, ist nicht leicht. Das Wort Islam ist in aller Munde, ebenso der Krieg. Fast automatisch stellt sich da eine Verbindung her. Viele Politiker, Medien und so genannte Nahost-Experten tun ein Übriges, indem sie Ängste schüren vor dem Islam und seinem „Heiligen Krieg“.

ISLAM HEISST FRIEDENMACHEN!

Zwar redet heutzutage fast jeder vom Islam, doch weiß kaum jemand, was das Wort in Wirklichkeit bedeutet. Für die meisten Menschen ist es einfach der Name einer Weltreligion. Darüber aber, dass schon der Name das Wesentliche über diesen Glauben mitteilt, macht man sich meist keine Gedanken. Dabei beruht gerade auf dieser Unkenntnis der wirklichen Bedeutung des Wortes Islam wohl der größte Teil der Vorurteile und Missverständnisse, die dem Islam entgegengebracht werden. Das Wort Islam, ins Deutsche übertragen, bedeutet: Friedenmachen. Der Islam versteht sich als die Religion und Lebensweise des Friedenmachens. Das Friedenmachen, wie schon der Name sagt, ist das Programm des Islam. Der Islam will Frieden machen in allen Bereichen, die für den Menschen von Bedeutung sind. Der Mensch soll Frieden machen mit Gott und mit sich selbst, mit seinen Mitmenschen und mit Gottes Schöpfung. Ein Mensch, der dies verwirklichen will, ist Muslim, d.h. „einer, der Frieden macht“.

KEIN „HEILIGER KRIEG“

Nun fragt man sich vielleicht: Wie passt das zusammen mit dem „Heiligen Krieg“? Die Antwort darauf ist sehr einfach: Der „Heilige Krieg“ hat nichts mit dem Islam zu tun. Dieser Begriff kommt im Koran, der Heiligen Schrift des Islam, überhaupt nicht vor. Er ist dem Islam fremd. Ursprünglich stammt dieser Begriff wohl aus dem Mittelalter, der Zeit der Kreuzzüge, als man im christlichen Abendland aufrief zu einer Kriegsfahrt in den Orient, auch damals gegen den Islam und die Muslime. Das nannte man einen „Heiligen Krieg“. Wie wir heute wissen, waren diese Kreuzzüge alles andere als „heilig“. Kaum jemand im Abendland würde sich heute noch mit jenem Missbrauch von religiösen Gefühlen der Menschen identifizieren wollen. Aber der Begriff des „Heiligen Krieges“ hat sich erhalten. Nur wird er jetzt dem Islam und den Muslimen aufgestülpt, gegen die er sich in Wirklichkeit ja ursprünglich zuallererst gerichtet hatte.

UND WAS IST DANN DSCHIHAD?

  • Dies ist die nächste Frage, die sich hier anschließt. Nun gut, wird man vielleicht sagen, der „Heilige Krieg“ steht so nicht im Koran, aber den Dschihad, den gibt es doch, und ist das denn nicht dasselbe? Nein, es ist nicht dasselbe! Dschihad ist ein Wort aus dem Koran, aber es bedeutet weder „heilig“ noch „Krieg“. Es ist nicht einfach zu übersetzen. Am besten drückt man es im Deutschen so aus: „etwas mit ganzem Einsatz tun“, oder „sich voll und ganz einsetzen“. So ist eigentlich alles, was ein Muslim (einer, der Frieden macht) „mit ganzem Einsatz“ tut: Dschihad. Sein Eintreten für Frieden und Gerechtigkeit wären ohne Dschihad, d.h. ohne ganzen Einsatz, nur halbherzig und unaufrichtig. Der Prophet Muhammad (s) hat gesagt: „Der beste Dschihad ist, das Wort der Wahrheit (und des Rechts) vor einem ungerechten Herrscher zu sprechen.“ Man sieht an dieser Aufforderung sehr deutlich, welche Art von „ganzem Einsatz“ hier gemeint ist: die persönlich Überwindung von Angst, Eigeninteresse und Egoismus. Dieser Dschihad ist auch ein Kampf – und zwar ein Kampf gegen das eigene Ich. So wird dem Propheten Muhammad (s) der Ausspruch zugeschrieben, als er einmal mit seinen Gefährten von einem Kampf zurückkehrte: „Wir kehren zurück vom kleinen Dschihad zum großen Dschihad.“ Den Kampf mit der Waffe bezeichnete er also im Vergleich mit dem Kampf gegen das Ich als den kleineren Einsatz. Das sollte man im Blick behalten, wenn man über Krieg und Frieden im Islam spricht.

KEIN BLINDER PAZIFISMUS

Der Islam vertritt keinen blinden Pazifismus, d.h. er verlangt von seinen Anhängern nicht, das eigene Leben oder die Menschen, für die man verantwortlich ist, dem Prinzip einer absoluten Gewaltfreiheit zu opfern. Der Koran sagt: „Euch ist der Kampf vorgeschrieben, und er ist euch zuwider, und es ist möglich, dass euch etwas zuwider ist, das gut für euch ist, und es ist möglich, dass euch etwas lieb ist, was schlecht für euch ist, und Allah weiß, aber ihr wisst nicht.“ (2:216) Damit erklärt der Koran, dass die gewalttätige Auseinandersetzung in der Regel unerwünscht ist, aber er untersagt sie nicht völlig, sondern stellt klare Grundsätze für Gewaltandrohung, Gewaltanwendung und Gewaltverzicht auf. Diese sollen nun kurz betrachtet werden.

GEGEN GLAUBENSZWANG

Der Kampf, der dem Muslim in der obigen Koranpassage vorgeschrieben ist, hat ein klar umrissenes Ziel. Es ist der Kampf gegen Zwang im Glauben und für die Freiheit des Bekenntnisses zu Gott. Der Koran sagt: „Kein Zwang im Glauben – das rechte Handeln und das Fehlgehen sind schon klar unterschieden.“ (2:256) Ein deutlicheres Bekenntnis zur religiösen Toleranz findet man in keiner heiligen Schrift einer anderen Weltreligion. Der Muslim hat den Auftrag, dieses Menschenrecht der Freiheit des Bekenntnisses zu Gott in jedem Fall zu schützen, notfalls auch mit Gewalt, selbst wenn damit manche bestehende Konvention gebrochen werden muss – wie im alten Arabien der „heilige Monat“, in dem der Kampf an sich verboten war: „Sie fragen dich nach dem heiligen Monat, dem Kämpfen darin. Sag: ‚Kämpfen darin ist schlimm, doch Abhalten von Allahs Weg (Verbot der Religionsfreiheit) und Ihn leugnen und (Abhalten von) der Heiligen Moschee und ihre Leute von dort vertreiben, ist schlimmer bei Allah, und die Zwietracht ist schlimmer als der Kampf. Und sie hören nicht auf, euch zu bekämpfen, bis sie euch von eurem Glauben abtrünnig gemacht haben, wenn sie das können …’“ (2:217) Dies ist der Zusammenhang, in welchem der Koran den Kampf nicht nur erlaubt, sondern sogar vorschreibt. Der Muslim hat nicht nur das Recht, sondern er hat die Pflicht, die Freiheit des Bekenntnisses zu Gott auch mit Gewalt zu verteidigen gegenüber denjenigen Feinden, die ihrerseits den gläubigen Menschen hindern, nach Gottes Weg zu leben, an Ihn zu glauben, Seine Gebetsstätten zu besuchen und sich dort in Frieden aufzuhalten. All diese Vergehen gegen die Menschenrechte bezeichnet der Koran an anderen Stellen zusammenfassend mit dem Begriff dhulm, d.h. Unterdrückung und Gewalttätigkeit.

GEGEN UNTERDRÜCKUNG

Der Kampf gegen den Glaubenszwang ist zugleich ein Kampf gegen Gewalttätigkeit und Unterdrückung. Deshalb zeigt der Koran an einer anderen Stelle diesen Zusammenhang auch unmissverständlich auf: „Und was ist mit euch, dass ihr nicht auf Allahs Weg kämpft und für die Unterdrückten von den Männern und den Frauen und den Kindern, die sagen: ‚Unser Herr, bring uns heraus aus dieser Stadt, deren Leute Tyrannen sind, und gib uns von Dir aus einen Beschützer, und gib uns von Dir aus einen Helfer.’?“ (4:75) Der Muslim darf nicht nur, sondern er muss eintreten für den Schutz der Menschen, die Gott um Hilfe gegen die Tyrannei anrufen. Das nennt der Koran den „Kampf auf Allahs Weg“. Den Kampf für „weltliche“ Ziele hingegen lehnt der Islam strikt ab.

KEIN ANDERER KRIEG

Ebenso unmissverständlich wie der Koran den Kampf gegen Glaubenszwang und Unterdrückung befiehlt, verbietet er auch jedweden Krieg, der aus anderen Gründen geführt wird, seien das politische Macht, wirtschaftlicher Einfluss, Bodenschätze, Nationalstolz und was auch immer vorstellbar ist. All dies bezeichnet der Koran mit dem Sammelbegriff der „Güter dieser Welt“. Dem Diesseits steht nach islamischer Auffassung das Jenseits, das Leben nach dem Tod, gegenüber: „Und das Jenseits ist besser und bleibender.“ (87:17) Der Muslim richtet sein Verhalten – auch im Kampf – deshalb nicht nach den „Gütern dieser Welt“ aus. Der Koran untersagt ihm das mit den Worten: „Ihr Gläubigen, wenn ihr auf Allahs Weg auszieht, dann schafft Klarheit und sagt nicht zu dem, der euch Frieden anbietet: ‚Du bist kein Gläubiger’, – und ihr

erstrebt (dabei nur) die Güter des Lebens dieser Welt, und bei Allah ist vielfältiger Gewinn, (genau) so wart ihr früher, dann war Allah gütig zu euch, also schafft Klarheit, Allah kennt, was ihr tut.“ (4:94) Mit anderen Worten: Wer als gläubiger Mensch Krieg aus anderen als den von Gott erlaubten Gründen führen würde, handelt so wie früher, d.h. bevor er durch Gottes Güte gläubig wurde. Dann wäre er nicht anders als andere Menschen auch. Der Muslim muss anders sein, denn sein Auftrag ist Friedenmachen. Streit und Krieg um die Güter dieser Welt aber bringen keinen Frieden. Deshalb rät der Koran zu bestimmten Wegen, den Krieg zu verhindern und den Frieden zu sichern.

FRIEDENSSICHERUNG

Der Koran nennt vier Prinzipien zur Friedenssicherung und Kriegsverhinderung. Diese könnte man auch Grundsätze der islamischen Friedenserziehung nennen.

Als Erstes vertritt der Koran das schon genannte Prinzip „Kein Zwang im Glauben“.

Das Eintreten für die Freiheit der Menschen, sich zu Gott zu bekennen, ist sein Fundament der Friedenssicherung.

Zweitens stellt der Koran den Krieg unter die härteste Bestrafung und ruft die schlimmen Folgen davon ins Bewusstsein der Menschen.

Drittens verlangt der Koran von seinen Gläubigen Friedenssicherung nicht nur durch Worte, sondern durch erkennbare Maßnahmen, die jedem klarmachen, dass diese Ziele des Eintretens gegen Glaubenszwang und Tyrannei und für die Sicherung des Friedens nicht nur proklamiert werden, sondern auch gegen jede Bedrohung geschützt werden können: „Und rüstet gegen sie, wozu ihr imstande seid, an Streitmacht und den Streitrossen, damit ihr die Feinde Allahs und eure Feinde einschüchtert, und andere außer ihnen, die ihr nicht kennt.“ (8:60) Das Ziel dieser Maßnahme ist eindeutig angesprochen: Es geht um die Verhinderung des Krieges. Viertens erwähnt der Koran an verschiedenen Stellen das Abschließen von Verträgen, die dazu führen, dass keine Kriege geführt werden. Ein solcher Vertrag gilt nur dann nicht mehr, wenn der Vertragspartner ihn gebrochen hat. In diesem Fall wird der Muslim das nicht hinnehmen, weil der Koran ihm aufträgt: „Und wenn sie ihre Eide nach ihrem Vertrag gebrochen haben und euch wegen eurer Religion schmähen, dann kämpft gegen die Anführer des Unglaubens – für sie gibt es keine Eide, vielleicht lassen sie (dann) ab.“ (9:12) Auch hier wird noch einmal deutlich, dass im Mittelpunkt der islamischen Lehre von Krieg und Frieden der Schutz der Freiheit des Bekenntnisses zu Gott steht.

NOTWEHR JA

Schließlich sind auch die Gebote des Korans, einen Krieg nicht zu beginnen und ihn bald möglichst zu beenden, wesentliche Mittel der Friedenssicherung. Der Muslim hat das Recht der Selbstverteidigung, wenn er angegriffen wird. Aber er hat ebenso die Pflicht, den Kampf auch zu beenden, wenn der Feind ihn einstellt. Die Haltung des Muslims, was den Krieg betrifft, ist also immer eine Erwiderung auf das, was ihm geschieht: „Und bekämpft diejenigen auf Allahs Pfad, die euch bekämpfen und übertretet nicht (Allahs Grenzen). Allah liebt die Übertreter nicht.“ (2:190-193) Hier sind auch noch einmal die einzigen erlaubten Kriegsgründe genannt: Selbstverteidigung gegen Angriff und Vertreibung, d.h. dhulm (Unterdrückung, Tyrannei) und Freiheit des Bekenntnisses zu Gott, d.h. „bis die Religion Allahs ist.“ Noch eindeutiger heißt es im Koran: „Es ist denen erlaubt, die kämpfen, weil ihnen Unrecht geschah, und Allah ist ihnen zu helfen schon imstande, diejenigen, die herausgetrieben wurden aus ihren Häusern, ohne Recht, nur weil sie sagten: ‚Unser Herr ist Allah’ – und wenn es nicht Allahs Abwehren der Menschen untereinander gäbe, wären bestimmt die Einsiedeleien zerstört und die Kirchen und Gebetsstätten und Moscheen, in denen Allahs Namens viel gedacht wird …“ (22:39-40)

FRIEDEN UND GERECHTIGKEIT HERSTELLEN

Im Übrigen weist der Satz „Und wenn sie aufgehört haben, dann (gibt es) keine Feindschaft, außer gegen die Ungerechten“ (2:193) die Muslime an, auch nach dem Kampf, wie schon zuvor, für Frieden und Gerechtigkeit einzutreten. Diese Friedensbereitschaft fordert der Koran in jedem Fall: „Und wenn sie dem Frieden zugeneigt sind, dann seid (auch) ihr ihm zugeneigt und vertraut auf Allah …“ (8:61) Der Koran zwingt den Menschen nicht, den Islam anzunehmen. Aber dem Grundsatz „Freiheit des Bekenntnisses zu Gott“ und „Schutz vor Unterdrückung“ muss sich jeder unterstellen.

WAS STEHT DEM ENTGEGEN?

Dies sind kurz zusammengefasst die wichtigsten Grundsätze über Krieg und Frieden im Islam. Wer sie berücksichtigt, kann sich nun selbst eine Meinung darüber bilden, wann für die Muslime Widerstand gegen einen Angriff auf Freiheit und religiöses Bekenntnis erlaubt und gefordert ist, und wann die religiösen Gefühle der Menschen zu ganz anderen Zwecken missbraucht werden. Darüber hinaus sollte man nun aber auch zu einer gerechten Beurteilung dieser islamischen Grundsätze kommen können und sich fragen, was ihnen eigentlich entgegensteht. Was steht wirklich gegen

– Schutz vor Glaubenszwang?

– Schutz vor Unterdrückung und Tyrannei?

– Einsatz für Freiheit und Menschenrechte?

– Verbot jedweder sonstigen Waffengewalt?

– Bemühen um Friedenssicherung?

– Verbot des Angriffs?

– Erlaubnis der Notwehr?

– Friedenmachen auf allen Ebenen?

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